Ein Reisebericht von Sigrid Daum
Achtzehn „Kulmbacher und Freunde“ machten sich Anfang März auf den Weg nach Nepal, um Kultur zu erleben und Patenkinder zu treffen. Das einhellige Fazit: intensiv und berührend, obwohl die Reise wegen der Corona-Krise vier Tage früher als geplant abgebrochen werden musste.
Wieder zu Hause, haben die Reiseteilnehmer innerhalb von drei Wochen in einer beispiellosen Spendenaktion für eine Frau gesammelt, deren Schicksal ihnen besonders zu Herzen gegangen ist, Nirmaya Basel. Sie spendeten nicht nur selbst, sondern sammelten auch eifrig in ihrem Freundeskreis – nun wurde „Kassensturz“ gemacht: bis Redaktionsschluss waren bereits stolze 9.500 € auf dem Konto der Nepalhilfe Kulmbach unter dem Stichwort „Nirmayas Haus“ eingegangen, ein großartiges Ergebnis.
Nirmayas Haus
Und das kam so: Nirmaya Basel ist Mutter von drei minderjährigen Patenkindern und seit zwei Jahren Witwe. Ihr Mann war nach langer, schwerer Krankheit gestorben. Die Nepalhilfe Kulmbach hat sie in ihrer ersten Not bereits hilfreich unterstützt. Das gesamte Ausmaß ihres Unglücks wurde aber erst bei unserem Besuch in Malekhu deutlich.
Nirmaya Basel hat mit ihrer Familie (einschließlich todkranker Großmutter) in einem kleinen Haus gewohnt, das ihrem Patron (Großgrundbesitzer) gehörte. Nirmaya und ihr Mann arbeiteten beide für diesen Großgrundbesitzer – für sehr wenig Geld. Dafür sollte aber das Haus, in dem sie wohnten, einmal ihnen gehören. Leider konnte sich der Patron nach dem Tod des Mannes nicht mehr an sein Versprechen erinnern. Er warf Nirmaya, die inzwischen selbst sehr krank geworden war, vielmehr aus dem Haus und kündigte ihr.
Die tapfere und mutige Frau hat nach einigem Hin und Her zwar wieder Arbeit und eine Unterkunft gefunden – sie arbeitet jetzt auf dem Bau und schleppt schwere Körbe mit Steinen und das bei ihrem angeschlagenen Gesundheitszustand.
Das Quartier, in dem sie mit ihren drei Kindern gegenwärtig untergekommen ist, haben wir uns angeschaut. Zwölf Quadratmeter, mehr oder weniger Rohbauzustand – über den zwei Betten (für vier Personen) ein Wandregal, geschmückt mit einem Tuch, darauf die Kostbarkeiten der Familie: zwei Fläschchen Nagellack und ein paar Postkarten von den Paten aus Deutschland. Neben der Türe steht ein kleiner Ofen und ein kleines Regal für Lebensmittel – darin eine Tüte Reis und eine Tüte Linsen…
Toll, wie liebevoll diese Frau ihre 4-köpfige Familie in dem winzigen Raum versorgt. Aber! Auch dieser Vermieter hat es in sich: er erhöht die Miete fast monatlich und Nirmaya bleibt nichts mehr zum Leben. Sie muss die Kinder oft schweren Herzens ohne Frühstück in die Schule schicken (mit dem Erfolg, dass die Kinder nur noch Haut und Knochen sind und die schulische Leistung zurückfällt)… Wir, die Reiseteilnehmer, waren uns alle spontan einig, dass diese Familie dringend Hilfe bekommen sollte und wir alle zusammen dafür sorgen wollten, dass sie eine Behausung bekommt, aus der sie niemand mehr vertreiben kann.
Die Nepalhilfe Kulmbach wird sich des Projektes annehmen und den noch fehlenden Teil als Zuschuss dazu geben, um ein Grundstück zu kaufen und ein Häuschen mit zwei Räumen, einer WC-Anlage und einer Zweikammerausfaulgrube, einem Ziegengatter und einer kleinen Solaranlage darauf bauen zu können. Nirmaya wird außerdem einen „Mikrokredit“ von der Nepalhilfe bekommen, um sich zwei Ziegen kaufen zu können, die ihr den Lebensunterhalt sichern sollen.
Kulturtourismus mit sozialem Aspekt
Die Reiseteilehmer waren in erster Linie Pateneltern, die ihre Schützlinge und deren Familien und Lebenssituationen im fernen Nepal endlich einmal kennenlernen wollten, aber auch ganz einfach Reiselustige, die sich Nepal einmal anschau’n wollten. 18 + 1, wenn man mich mitzählt – ich fungierte als Reiseleiterin und hatte zudem einige Aufträge der Nepalhilfe Kulmbach im Gepäck, deren Beiratsmitglied ich bin.
Die Reise stand unter einem besonderen Stern: es war der erste Versuch des Reisebüros Schaffranek, eine Reise zu etablieren, die “ein bisschen Kultur, ein bisschen Soziales und viel Persönliches“ bot – Kultur-Tourismus verbunden mit den humanitären Projekten der Nepalhilfe Kulmbach.
Unser Reisebegleiter in Nepal war Shyam Neupane, der für den Verein „Nepalhilfe Kulmbach e. V.“ seit nunmehr 17 Jahren der verlässige Mittelsmann vor Ort für alle Hilfsprojekte ist und in Bhaktapur ein Reisebüro betreibt. Eigentlich liegt sein Schwerpunkt auf Trekkingtouren, die er als Guide begleitet, aber es hat ihm sichtlich Freude bereitet, die Kulmbacher Gruppe auf sehr persönliche Weise durch sein Heimatland zu führen. Shyam hat uns in Winkel von Kathmandu geführt, in die wir ohne ihn nie gekommen wären, wunderschöne typische mittelalterliche Stadtteil-Innenhöfe mit ehemaligen Klöstern und Tempeln und viele sehr persönliche Momente in den sonst „üblichen historischen Sehenswürdigkeiten“.
Kathmandu
Das Programm begann mit einem Rundgang durch die Altstadt von Kathmandu und einem Besuch in einem Restaurant in dem wir (zum ersten von vielen Malen) das Nationalgericht „Dal Bhat“ verkosteten, das die Nepalesen gefühlt sowohl früh, mittags, als auch abends zu sich nehmen. Viel Reis und eine schmackhafte Linsensuppe, eine besondere Spinatkreation, würziges, gekochtes Gemüse, einige Scheiben rohes Gemüse und als Begleiter ein Stück Chapati, ein ungesäuertes Fladenbrot. Ab und zu bekommt man es mit ein wenig Fleisch, vorzugsweise Hühnchenfleisch, manchmal auch Lamm, aber niemals Rindfleisch, denn das haben wir als erstes gelernt: Kühe sind heilig.
Bereits am Folgetag nahmen einige Reiseteilnehmer die Möglichkeit wahr, bei einem Rundflug zum Himalaya, den Mount Everest zu bestaunen. Sie hatten Glück, das Wetter passte und der König der Berge grüßte huldvoll.
In Kathmandu besuchten wir auf einem Hügel im Westen der Millionenstadt Swayambhunath, den ältesten buddhistischen Tempelkomplex in Nepal mit seinem beeindruckenden Stupa, mit den aufgemalten Augen. Flankiert wird der Stupa von zwei hinduistischen Türmen. Wie an vielen anderen Orten in Nepal sind auch hier buddhistische wie hinduistische Heiligenstätten Seite an Seite. Oft werden Götter sowohl von Buddhisten als auch von Hindus (nur unter verschiedenen Namen) verehrt. Die religiösen Grenzen sind in Nepal verschwommen; auf die Frage: „Bist du Hindu oder Buddhist?“ antworten die Nepalesen gerne mit: „Ja“. Das zeugt von der großen Toleranz des nepalesischen Volkes gegenüber religiösen Praktiken. Bei einem Infoabend im Hotel Jampa ging es neben Sprache und Schrift der Nepalesen um Dialekte, das Kastenwesen, Karma, Feste und Nepal als „Treffpunkt der Religionen“. In Zahlen sind 87% der Nepalesen Hindus (insbesondere Indo-Nepalesen) und 8% tibetisch-nepalesische Buddhisten. Es gibt eine winzige muslimische Gemeinde (4%) und eine christliche (0,17%). Der Rest der Nepalis praktiziert Schamanismus, insbesondere die Bergbewohner.
Eines der spektakulären Feste konnten wir miterleben: Holi, „das Fest der Farben“. Das ist ein aus der hinduistischen Überlieferung stammendes indisches Frühlingsfest am ersten Vollmondtag des Monats „Phalgun“. An diesem Tag scheinen alle Schranken durch Kaste, Geschlecht, Alter und gesellschaftlichen Status aufgehoben. Es wird ausgelassen gefeiert und man besprengt und bestreut sich gegenseitig mit gefärbtem Wasser und gefärbtem Puder, dem Gulal. Wenn man nichts von dem „Farben-Segen“ abbekommen will, kann man nur zuhause bleiben.
Was wir in Kathmandu noch besichtigt haben: den Basar, der sich über einen ganzen Stadtteil im Kern Kathmandus erstreckt, den „Garden of Dreams“, ein wunderschöner Garten, der 1920 von den Engländern erbaut wurde, und den Durbar Square, wo von 800 bis 1768 die Malla-Könige von Kanitpur regierten. Von 1769 – 1950 lebten die Schah-Könige des vereinten Nepals dort. Pünktlich zur Audienz führte uns Shyam zum Kumarihaus, wo sich uns die „lebende Göttin Kumari“ in Gestalt eines kleinen missmutigen Mädchens zeigte.
Da wir Nepal wegen der frühzeitigen Rückreise 4 Tage früher als ursprünglich geplant verließen, wurde unser Besichtigungsprogramm sehr kompakt, denn die „Highlights“ wollten wir auf keinen Fall versäumen, wie z. B. die Besichtigung des ehemaligen Königreichs Patan und Bungamati, die erste Nemari-Siedlung im Kathmandu-Tal. Patan wird auch Lalitpur genannt, das bedeutet so viel wie „wunderschöne Stadt“. Sie ist die drittgrößte Stadt in Nepal nach Kathmandu und Pokhara. Lalitpur liegt im Kathmandutal am Südufer des Bagmati im Distrikt Lalitpur und bildet mit Kathmandu eine „Doppelstadt“.
Malekhu
Am wichtigsten fanden die meisten Reiseteilnehmer die Tage in Malekhu. Den Empfang in der Schule werden wir wohl nie vergessen. Mit vielen Blumen, Tänzen, Liedern und Ansprachen wurden wir willkommen geheißen. Es folgten Besuche bei 15 Patenkindern, deren Pateneltern zum Teil mit in der Reisegruppe waren. Berührende Momente – für viele das erste Mal, dass sie einander begegneten. Die Eltern der Patenkinder luden in ihre bescheidenen Behausungen ein und teilten in berührender Gastfreundschaft mit uns, was sie zur Verfügung hatten: Apfelstückchen, Gebäck oder auch Getränke.
Bubhan Tripathi
Ich bin ein Fan von „Bürgermeister“ Bubhan!!! Vor ca. 2 Jahren wurde er als erster demokratischer Bürgermeister gewählt. Vorher herrschte in Nepal ein feudalistisches System. Man sieht die Fortschritte im Ort schon, seit er sich kümmert – es tut sich was. Der Straßenbau zur Schule ist in Gang. Seine Familie hat schon seit Jahren den Bau der Schulen in Malekhu unterstützt. Sein Rathaus, neben dem neugebauten Campus hat uns begeistert – es hat einen großen Raum, den die Bevölkerung auch für Vorträge und Seminare nutzen kann. Mit ihm zusammen kann die Nepalhilfe Kulmbach sicher einige Projekte angehen und vorwärts bringen.
Beeindruckende Persönlichkeiten sind auch Dev Tripathi und Sher Bahadur, der alte und der neue Direktor der Schule in Malekhu, die seit vielen Jahren von der NHK unterstützt wird. Oder „Raju“, der IT-Lehrer, der sich auch um die Patenkinder kümmert und „Ranjeeta“, die Krankenschwester, die über die Abwicklung der „Mikrokredite“ wacht.
Dr. Sadichhya Shrestha, eine ehemalige Schülerin/Patenkind ist jetzt in Dadhing, der Bezirkshauptstadt, Ärztin. Wir haben bei einem beeindruckenden Ausflug mit ihr zusammen das Krankenhaus angeschaut. Sie hat auch Nirmaya Basel untersucht und mit Ranjeeta zusammen einen Therapieplan ausgearbeitet. Ranjeeta ist von der Nepalhilfe Kulmbach angestellt – sie ist Krankenschwester, Sozialarbeiterin und „Mädchen für alle medizinischen Aufgaben“. Wir haben die Hoffnung, dass Nirmaya bald wieder gesund wird.
Ich freue mich schon auf das nächste Mal
Unser Reiseprogramm ist durch die Bank sehr gut angekommen. Das Reisebüro Schaffranek plant im kommenden Jahr (Frühjahr oder Herbst) bereits eine weitere Reise mit uns (Shyam und mir) als Reiseleitern, mit einem etwas anderen Programm: ein bisschen Kathmandu/Bhaktapur/Bodnath, ein bisschen Malekhu und viel Naturpark Cithwan.
Soviel für heute. Bin vor allem froh, dass wir alle wieder heile in Deutschland angekommen sind. Zum Abschluss noch ein Lob an Stefan Schaffranek und sein Team, die uns mit Fingerspitzengefühl rechtzeitig aus Nepal nach Deutschland zurückgeholt haben – nicht alle Reisegruppen, die zu dieser Zeit unterwegs waren, hatten so viel Glück. Und ein Lob an die Menschen bei der Nepalhilfe Kulmbach, die seit vielen Jahren dem Elend in einem der ärmsten Länder der Welt die Stirn bieten.
1=Sehr gut / 5=mangelhaft
Reiseunterlagen: | 1,80 |
Bustransfer München | 1,40 |
Bustransfer Frankfurt | 1,20 |
Fluggesellschaft Türkisch Airlines/ Emirates | 2,50 |
Hotel Jampa | 2,20 |
Frühstück im Hotel | 2,60 |
Gästehaus Peace Heaven | 4,90 |
Frühstück im Hotel | 3,00 |
Abendessen vor Ort | 2,20 |
Mittagessen vor Ort | 2,40 |
Reiseleiter Shyam Neupane | 1,00 |
Programmablauf und Besichtigungen | 1,50 |
Gesamteindruck | 1,70 |
Preis-Leistungsverhältnis | 1,88 |
Gesamt: | 2,16 |